"Mazatlán"

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Es ist bereits Nachmittag, als wir vor einem kleinen Fischrestaurant direkt am Strand parken. Wir sind in Mazatlán, der nach Acapulco zweitgrößten Stadt an der mexikanischen Pazifikküste. Seinerzeit von deutschen Einwanderern aufgebaut, ist es heute ein bei Amerikanern wegen der sehr guten Hochseeangelmöglichkeiten beliebter Badeort. Doch nicht etwa zum Hochseeangeln sind wir hier, vielmehr wollen wir unsere Stühlchen am Strand auspacken und endlich mal wieder ins Wasser kommen, nachdem wir uns kurz mit einem „coco helado“ erfrischen.

Besser wäre es gewesen, beim Verlassen des Strandes einfach rückwärts auszuparken, da sich bei dem Versuch, den Strand vorwärts herum zu verlassen, die Räder des Tesomobils tief im Sand eingraben. Wir haben in unserer Vorfreude vorab weder den Luftdruck reduziert noch auf die Beschaffenheit des Sandes geachtet und sehen uns nun mit der Quittung konfrontiert. Aber so haben wir endlich Gelegenheit, unsere Weihnachtsgeschenke - zwei Autosandschaufeln - und auch die unser Gefährt sonst nur verzierenden Sandbleche in einer zweistündigen körperlichen Ertüchtigung im Scheine der Taschenlampe auszuprobieren. Wir bitten um Nachsicht, dass es auf Grund der teilweise angespannten Gemütsverfassung nur eine spärliche fotografische Dokumentation dazu gibt. Zur Belohnung für unsere erfolgreichen archäologischen Tätigkeiten fahren wir zurück nach Los Cerritos und genehmigen uns bei Isaak einige Schlaftrunke der Marke Corona. 

In Los Cerritos sind wir bereits bekannt und auch schon Gesprächsstoff der Gasse. So verwundert es auch nicht, als wir von Tom, dem Besitzer des Cafés, vor dem wir über Nacht gestanden haben, angesprochen werden. Wir erfahren von ihm, dass er gemeinsam mit seiner Frau Heidi aus Kalifornien nach Mexiko ausgewandert ist und nun hier mit dem „Loony Bean“ nicht nur seine Existenz, sondern auch gleichzeitig mit der Errichtung eines Jungendhotels einen Ort der Kommunikation und Zusammenarbeit für junge Menschen aus aller Welt geschaffen hat und weiter ausbauen möchte.


Tom und Heidi bieten Surfern, die Orientierung, Ruhe oder einfach nur die Welle suchen, die Möglichkeit, hier eine Auszeit zu nehmen und Kost und Logis gegen gelegentliche Mitarbeit im Café. Nebenher engagieren sie sich, sofern es die Einnahmen aus dem "Looney Bean" zulassen, in sozialen Projekten. Beeindruckt von der positiven Energie dieses Ehepaares, das bereits in den vergangenen Jahren in verschiedenen durch Naturkatastrophen heimgesuchten Ländern Hilfe geleistet hat, fragen wir, ob wir bei der wöchentlichen Fahrt zum Müllberg dabei sein dürfen.

Ohne eine genaue Vorstellung von dem Folgenden zu haben, finden wir uns bald wieder inmitten eines riesigen wie stinkenden Abfallsberges, der bevölkert ist von Hunderten von Menschen. Weit weg und außerhalb des Blickwinkels der Touristen sammeln und sortieren per Handkarren, Fahrrad oder Esel hier Männer, Frauen und Kinder das in der Stadt Weggeworfene, um es für ein paar Pesos kiloweise zu verkaufen.


Wir beobachten, wie das Looney-Bean-Team mit der Verteilung von 150 vorher geschmierten Stullen nebst einem frischen Getränk den hier versammelten Menschen, die sich oft nur aus dem Müll heraus ernähren, eine saubere Mahlzeit ermöglicht. Sobald das Sandwich verspeist ist, gehen alle unverzüglich zurück, um das zu sortieren, was die im 10-Minuten-Takt rund um die Uhr hier anrückenden Müllwagen abladen.


Benita, die Frau, die gemeinsam mit ihren 6 Enkelkindern am Fuße des Müllberges auf engstem Raum lebt, erzählt uns ihre Geschichte: Sie hat seit ihrem 15. Lebensjahr im Jahresrhythmus Kinder zur Welt gebracht und viele von ihnen wieder verloren. Nun kümmert sie sich um die Erziehung ihrer Enkelkinder. Ihre größte Einnahmequelle ist der Verkauf von weggeworfenen und durch sie wieder gefundenen Kleidungsstücken jedweder Art, die sie an teilweise Weithergereiste an den Mann bringt. „In meinem Leben“, so sagt sie uns, „habe ich viele Fehler gemacht, aber hier bin ich!“ Und so geht sie tagein, tagaus auf den Müllberg, um eine schmale und für uns schier unvorstellbare Lebensgrundlage für ihre 7-köpfige Familie zu sichern.


Wir bedanken uns bei Tom und Heidi für diese Eindrücke und hoffen, dass sie bald mit ihrem Café Fuß fassen und die nötige Infrastruktur wie z.B. die in Arbeit befindliche Internet-Seite fertig gestellt haben, damit möglichst viele auf ihre nachahmenswerten Projekte aufmerksam gemacht werden und ihre Visionen unterstützen können.

Liebe tief beeindruckte Grüße
Lella und Tommi

Entsprechende Bildergalerie der ehemaligen privaten web page ansehen:

tesomobil.de/index.php

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