"Kolumbien -  Das Land von Freiheit und Ordnung"

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Evelyn Batista ist ein unter Reisenden durchaus bekannter Name, wenn es um die Verschiffung zwischen Zentral- und Südamerika geht. Allen anderen, die sich dieses Abenteur noch nicht gegönnt haben, sei nur soviel erzählt, dass es sich bei dieser Person um eine Schiffsagentin handelt, derer man sich für die Bewältigung der Passage bedienen muss. Eigentlich gilt es auch hier, die übliche Prozedur zu vollziehen, die darin besteht, das Auto aus den Passpapieren austragen zu lassen, mittels Schiff auf die Seereise zu schicken, um das nicht durchlässige Darien Gap überwinden zu können, und auf kolumbianischer Seite wieder in die Papiere eintragen zu lassen sowie ein Erlaubnispapier zum Betrieb des Fahrzeugs in Kolumbien zu erlangen.

Soweit klingt dies alles ganz unproblematisch und hätte für uns nach den vielen mittelamerikanischen Grenzübergänge ein Akt der Routine darstellen sollen. Doch - oh wie schön ist Panama! - ist es hier möglich, geschlagene zehn Stunden auf die Ausstellung einer letzendlich wertlosen, da nie nachgefragten, polizeilichen Bestätigung zu warten, die lediglich bescheinigt, dass man in Panama in keinen Unfall verwickelt war. „Das Auto wird, auf einer Stahlplattform stehend, von Colon nach Barranquilla verschifft und Sie können es allerspätestens in zwei Tagen aus dem dortigen Hafen wiedererlangen!“ sagte die von den meisten Weltenbummlern beauftragte Schiffsagentin, die auch unsere Glückritterin werden sollte. „Machen Sie sich keine Sorgen!“ - In Italien ein Satz, bei dem man anfangen sollte, sich Sorgen zu machen. In Panama einer, bei dem man schon längst besorgt hätte gewesen sein müssen!  

Als mittlerweile größere Reisegruppe mit Bobtail Francie stehen wir von den Toren des Flughafens in Barranquilla und erfahren auf telefonische Nachfrage hin zu unserer Enttäuschung, dass das Schiff noch nicht in Kolumbien sei. Und so beschließen wir mehr oder minder spontan, unser Interims-Zuhause in einem Hotel nahe des Hafens mittels zwei Taxen zu erreichen. Der Fahrer zeigt sich zwar wortlos, doch wenig amüsiert über Francies kaltschnäuzige Annäherungsversuche an seinem rechten Ohr und ist froh, als er uns nach zwanzig minütiger Fahrt loswird.

Was nun folgt, ist eine viertägige Odyssee und der Auftakt einer großen Theatervorstellung vor den wenig beeindruckenden Kulissen Barranquillas. Während im ersten Akt die Hauptdarstellerin, Evelyn Batista, die Szenerie bestimmt, wird sie im zweiten Akt durch ihr kolumbianisches Äquivalent der Caribbean American Shipping Agency, Alexandra Cogollo, abgelöst, tritt schlagartig von der Bühne des Geschehns ab und wäscht damit ihre Hände für alle folgenden Handlungen in Unschuld. Was haben wir in der Abfolge der Verschiffung nicht alles für verschiedene Ausreden in Bezug auf die verspätete Ankunft unserer Autos in Kolumbien gehört: Anfänglich war es die verspätete Abfahrt aus Panama, später hielt sich das Gerücht der schlechten Wetterbedingungen auf See, wurde abgelöst  von der Behauptung, es befände sich an einem anderen kolumbianischen Hafen bis hin zur aus dem Hut gezauberten Aussage, es läge ein Maschinenschaden vor.

Auch rückblickend scheint es für uns bei diesem gesamten Stück kein wirkliches Skript gegeben zu haben, noch ist für uns wirklich erkennbar, wen wir tatsächlich beauftragt haben bzw. wer in diesem Akt der Verschiffung involviert war.

Evelyn Batista, Schiffsagentin der Barwil Shipping Agency, ein Unternehmen, welches angeblich durch Wilhelmsen Ships Service aufgekauft wurde, jedoch scheinbar aus steuerlichen Gründen weiter unter altem Namen operiert, beauftragt die Transatlantik Shipping Company, die wiederum die King Ocean Services mit der Beförderung eines Tesomobils betraut, gipfelt in der Abwicklung in Kolumbien durch die Caribbean American Shipping Agency. Es wundert auch nicht, dass das Schiff einen Umweg über die Karibikinsel Aruba gefahren ist. Auf unser ehemaliges Arbeitsleben übertragen, hieße dies, einen zwischen zwei Banken herzustellenden Wertpapierauftrag vor Abschluss durch drei andere Broker durchzuziehen. Schelm, wer Böses dabei denkt! (Meinem ehemaligen Lieblingskunden sei gesagt: Das habe ich nie getan!)

Grundsätzlich haben wir nichts dagegen, wenn möglichst viele etwas vom Kuchen abbekommen möchten. Es soll schließlich jeder bedacht werden. Selbst der Taxifahrer, der durch die Agentur gerufen wurde und uns vom Büro der selbigen zum Hafen chauffieren soll, scheint ein Vetter zu sein, der es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht hat, die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Statisten dieses panamesisch-kolumbianischen Bühnenstückes, nämlich wir, erhalten am Hafen die sonst eher unübliche Chance zum großen Auftritt, als wir wegen angeblich verloren gegangener Schlüssel die Sondererlaubnis erhalten, in das hochgesicherte Hafeninnere vordringen zu dürfen, um unser Mobil mittels Ersatzschlüssel von der Pier direkt unterhalb des Verladekranes zum gesicherten Zollparkplatz zu fahren:

Beim Öffnen der Türen stellen die Statisten fest, dass ihr mobiler Schatz seiner Lautsprecher beklaut wurde. Auch die Kleinteile, die absichtlich in der Fahrerkabine zwecks Befriedigung eventueller Habgier belassen wurden, bringen sie noch nicht vollkommen aus der Ruhe. Der Anblick der geöffneten Sicherheitsverriegelungen zum Abklappen des Fahrerhauses jedoch gibt den Statisten die Möglichkeit zu einer hauptdarstellerischen Sprechrolle. Das vulkanartige Ausflippen in spanischer bzw. englischer Sprache lässt die Schar von umstehenden Hafenarbeitern instinktiv zwei Meter zurückspringen.

Unsere spätere Rekonstruktion ergibt, dass das Auto nicht etwa wie bei der Agentur gebucht, per Flatrag verschifft wurde, was nicht zuletzt durch die deutlichen Abdrücke der Kranlaschen an der hinteren Kabine bestätigt wird, sondern mehr oder minder am Seil schwebend vom Schiff abtransportiert wurde. Wie sich herausstellt, wurde hierbei die Hydraulikleitung der Kupplung abgerissen und das Auto streikt nicht etwa wegen der fehlenden Schlüssel – die zwischenzeitlich per Mopedkurrier irgendwoher beigebraucht werden - , sondern wegen der nicht funktionierenden Kupplung. Als besonderen Service (Man könnte auch meinen, die wollen uns endlich loswerden!) schickt die Hafensicherheit einen Mechaniker, der, wenn auch werkzeuglos, so gleich an Ort und Stelle mit von uns zur Verfügung gestelltem Werkzeug den Schaden provisorisch behebt, indem er die Hydraulikleitung ausbaut, lötet, wieder einbaut und die Kupplung notdürftig von Hand entlüftet.

Mister Robinson, der von der Agentur wärmsten empfohlene sowie in unserem Namen beauftragte Zollbroker, hätte eigentlich die Aufgabe gehabt, den Prozess durch seine Kontakte zu beschleunigen. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass ein erneuter emotionaler Ausbruch (Ist es normal, dass man für vorsätzlich verursachte Standzeiten auch noch Standplatzgebühren entrichten muss?) unsererseits bei ihm motivatorisch hemmend wirkte. Es könnte auch sein, dass die Kraftausdrücke des südeuropäischen Reisemobilanteils Nationalstolz kränkend aufgefasst wurden. Vielleicht ist es aber einfach Zufall, dass wir dann die einzigen unter insgesamt sechs Reisegruppen sind, deren Unterlagen noch nicht vollständig vorliegen und sich somit die Weiterreise verzögert.

Genau an dieser Stelle entsteht der Entschluss, durch dieses wunderschöne Land so schnell wie nur möglich hindurchzureisen. Wie gut, dass wir uns schon vor einer Woche dazu entschieden hatten, während der langen Wartezeit einen Ausflug per Bus ins nahe gelegene Cartagena und seiner wunderhübschen wie bunten Altstadt zu machen. Denn dies ist die letzte Möglichkeit, gemeinsam mit Stephan, Lydie, ihren Kindern und Sheila, Jimmy samt Hund zu reisen, da wir durch unsere verzögerte Abwicklung später getrennt voneinander weiterreisen müssen.

Nachdem wir endlich unser Tesomobil wiederhaben, gehen wir die 1.600 km durch Kolumbien an, die sich anfangs zeitraubend durch tropische Berglandschaften schlängeln, bis die Straße im mittleren Bereich auch endlich mal einfach nur geradeaus führt. Von sowohl anderen Reisenden als auch einheimischen LKW-Fahrern wird uns abgeraten, ab einer gewissen Stelle im Süden Kolumbiens anzuhalten oder zu nächtigen, weshalb wir uns entschließen, beim Restaurant Berlin in Timbío südlich von Popayan (Ein herzliches Dankeschön an Brigitte und Helge für diesen Tipp!) unsere letzte kolumbianische Nacht am Beginn der Zona Roja zu verbringen. Nach einem schmackhaften Mittagessen im Restaurant ziehen wir uns zum Ausspannen ins Mobil zurück, um uns auf die morgige anstrengende Weiterreise vorzubereiten. Doch am späten Nachmittag lässt es sich die Familie des betreibenden Restaurants nicht nehmen, an unser Auto zu klopfen und nur kurze Augenblicke später sitzen wir in großer Runde bei Kaffee und Saft um den Tesomobiltisch. Auch wenn wir gar keinen Hunger mehr haben, nehmen wir die Gegeneinladung von Maria und Haido mit ihren Kindern Ana Isabel und Angelica Maria zum Abendessen in das Restaurant Berlin ihrer Freunde Luis und Nelcy und der Nichte Juliet und dem Neffen Carlos gerne an und so findet das Kapitel Kolumbien durch unseren heiteren Abend doch noch einen sehr versöhnlichen Abschluss.

Nach achtstündiger Fahrt bis an die Grenze durch die Zona Roja, in der wie nie das Gefühl hatten, in Gefahr zu sein, stellt der unkomplizierte Grenzübertritt nach Ecuador nur noch eine Formsache dar. Nichtsdestotrotz sind wir erleichtert und freuen uns, endlich das Land am Äquator erreicht zu haben, was so Vieles zu bieten hat, worüber wir bald berichten werden.

Bis dahin erleichterte Grüße
Lella und Tommi


Entsprechende Bildergalerie der ehemaligen privaten web page ansehen:
www.tesomobil.de/index.php

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