Reisegeschichten
Angesichts unseres großen Glücks, so viele schöne Dinge in so regelmäßiger Abfolge erleben zu dürfen, ist es zu verschmerzen, dass
uns die zeitig in Deutschland per Post zu uns nach Ecuador geschickten Bücher nicht rechtzeitig erreicht haben und wir unsere Fahrt entlang der Anden ohne entsprechende Reiseliteratur fortsetzen
müssen. Zwar fahren wir extra noch einmal in die Provinzhauptstadt Loja, doch auch unser persönliches Erscheinen beim Postamt hilft nichts, wenn womöglich der Esel noch nicht über den letzten
Pass geklettert ist. So werden unsere Bücher vielleicht andere deutschsprachige Reisende, die zukünftig die Lodge in Vilcabamba besuchen, erfreuen.
Mit Macará wählen wir den Weg des geringeren Grenzübels und der besseren Straßen und fahren entlang atemberaubender Landschaften. Die letzten Kilometer Ecuadors sind durch dichten Nebel
verschleiert und wir könnten kaum die Hand vor Augen sehen, hätten wir sie vor die Windschutzscheibe gestreckt. Immer wieder zwängen wir uns an Erdrutschen vorbei, die Teile der Straße entweder
verschüttet oder gleich mit sich gerissen haben. Doch kommen wir heil in dem kleinen und fast ausgestorbenen Grenzort Macará an und freuen uns wenig später über die Ankunft unserer irischen
Reisefreunde, Sheila und Jimmy mit Francie.
Nach Peru sind es von hier lediglich drei Kilometer. Die Rechnung, unsere Tanks noch einmal randvoll zu machen mit dem sehr günstigen - weil subventionierten - Diesel haben wir ohne den
Tankstellenwirt bzw. den Militärkontrolleur gemacht, die uns nur Diesel für maximal 10 Dollar zugestehen wollen. Also entscheiden wir uns, direkt zur Grenze zu fahren und erleben dort eine sehr
freundliche und gut gelaunte und darüberhinaus schnelle Grenzabfertigung und befahren kurz darauf bereits peruanisches Territorium.
Peru ähnelt hier im Grenzgebiet mit seinen giftgrünen und hügeligen Landschaften doch sehr dem Nachbarland Ecuador. Zu unserer Überraschung sind einige der Mautstellen hier in Peru garnicht erst
besetzt und so können wir einfach hindurchfahren. Doch bald ändert sich die Umgebung und wir finden uns nur wenig später in einer riesigen Wüstenlandschaft wieder. Staunend schauen wir uns an,
hatte doch keiner von uns so viel Wüste erwartet. Mit ein wenig Lesen wäre diese Erfahrung bestimmt nicht so überraschend gewesen, aber wo keine Bücher, da keine Infos!
Unsere erste Station in Peru heißt Chiclayo und zeigt sich von seiner belebten Seite. Dem üblichen Autogewirr entfliehen wir, indem wir uns in eine kleine Seitenstraße an einen Park stellen
direkt vor ein ordentlich ausschauendes Hotel. Zwar verlieren sich auch hier vereinzelt die kleinen gelben Taxis, die alle ständig hupend um die Ecke biegen, doch etwas Gewöhnung ist dies nicht
mehr als Vogelgezwitscher und gehört eben zur örtlichen Geräuschkulisse dazu. Abends klopft es an unserer Kabine und wir hören nur das Wort "Policia". Der Blick aus dem Fenster verrät uns, dass
es sich tatsächlich um einen Ordnungshüter handelt, jedoch nicht um einen peruanischen, sondern vielmehr um einen deutschen. Vor uns steht Raimund, den wir zwei Wochen zuvor auf unserer
Galapagosrundfahrt kennengelernt haben, sodass wir uns zu nachtschlafender Zeit nochmals aufraffen zu einem gemeinsamen Bierchen im benachbarten Park. Aus dem Kaffee am nächsten Morgen in unserem
Mobil wird dann nichts mehr, weil es unserem erwarteten Besuch in unserem Mobil zu warm ist und so treten wir etwas später als geplant unseren Rundgang durch die Stadt an mit Augenmerk auf
den Hexenmarkt. So kommt es, dass Lella nach eingehender Beratung durch einen auf dem Markt angetroffenen Schamanen einen Talisman erwirbt und nun gegen alle Gefahren und Unwegsamkeiten im Leben
geschützt ist. Hat sie Schmerzen oder Sorgen, braucht sie fortan nur noch mit dem Glücksbringer über den Körper reiben und alles wird gut!
Der Appetit auf Fisch ist uns nach dem Anblick des durch zahlreiche heimische Fliegen angeflogenen rohen Fisches bei 35 Grad Celsius etwas vergangen und wir bevorzugen das durchgebratene Huhn
oder das zur Schuhsohle durchgebratene Stück Fleisch. So können wir uns jedenfalls sicher sein, dass wir die nächsten Fahrkilometer ruhig sitzen können, wollen wir doch recht zügig den Badeort
Huanchaco erreichen, wo wir mit unser Reisebekanntschaft, Pauline und Juan, zum Abendessen verabredet sind. Die beiden haben von Panamá direkt nach Guayaquil in Ecuador verschifft und sich in
Huanchaco für zwei Monate in einem Apartment eingemietet. Juan, ursprünglich aus Peru, lebt seit Jahren gemeinsam mit Pauline in England und sie reisen genauso wie wir die Panamerikana entlang.
Nur kurz nachdem wir uns mitten auf den Strand des kleinen Badeortes gestellt haben, gesellen sich auch Sheila und Jimmy neben uns - wir sind nicht etwa verabredet, sondern vielmehr wieder einmal
zufällig zu viert. Pauline hat französisch gekocht und wir verbringen gemeinsam mit Juans Sohn Julius und seiner Freundin Rosa einen sehr netten Abend zu Gast bei den beiden.
Da es so schön ist, bleiben wir doch gleich noch einen weiteren Tag. So ein Tag am Strand ist leicht und schnell verbracht! Ganz in unserer Nähe fahren die Fischer morgens mit ihren
berühmten Caballitos de Totora, den hübschen Schilfrohrpferdchenbötchen, zum Fischen hinaus. Von Huanchaco aus besuchen wir die archeologischen Ausgrabungsstätten von Chan Chan, die einstige
Hauptstadt des Reiches der Chimú, und schlendern schattensuchend zwischen den teils aufgelösten Lehmmauern durch große Teile der Anlage. Auch Francie in seinem dichten Bobtailpelz hat es nicht
einfach und wir alle sind froh, bald wieder in unseren Mobilen zu sitzen. Die Sonne kommt gnadenlos genau von oben und ohne Kopfbedeckung wird es einem schon schnell einmal matschig in der
Birne.
Zurück in Huanchaco versuchen wir mit Juans Hilfe, eine Haftpflichtversicherung für unser Auto für Peru zu bekommen, sind wir doch einige Male von Polizisten am Wegesrand angehalten worden. Meist
geht es auch gut und der Beamte lässt dann doch ab, seine Multa fertig auszuschreiben, wenn er hört, dass wir für das deutsche Fernsehen zwecks der Erstellung einer Dokumentation über sein
schönes Land unterwegs sind. Der Schriftzug unseres Mobiles stellt denn auch schon mal die Abkürzung für TelevisionSurOriente-Mobil dar und kurzum wird uns eine gute
Weiterreise gewünscht. Letztendlich wäre es jedoch auch für uns vorteilhaft, mit einer Versicherung ausgestattet zu sein. Im Falle der Fälle säßen wir nämlich andernfalls bis zur Klärung des
Sachverhaltes fest und zudem womöglich noch im Gefängnis und das Tesomobil würde beschlagnahmt. Das will ja keiner! Problematisch nur, dass uns auch niemand versichern möchte. So reisen wr, auch
ein wenig gezwungenermaßen, unversichert durch das Land und so wie es aussieht auch durch selbiges hindurch und werden in Bolivien unser Glück auf ein Neues versuchen!
Von Trujillo nach Tuquillo singen wir vor uns hin und biegen zur Dämmerung zum nächstbesten Strand ab. Die Piste führt uns weg von der Panamerikana, die wir nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen
nachts eher meiden, direkt ans Wasser. Gerade als wir uns fragen, wo unsere irischen Freunde wohl die Nacht verbringen werden, begrüßt uns die Hupe des Ford 350 Campers. Wir sind nicht etwa im
Konvoi unterwegs und so sind wir immer wieder freudig überrascht, dass wir uns ständig über den Weg fahren. Scheinbar haben wir vier - Entschuldigung Francie, wir fünf natürlich! - die gleichen
Vorstellungen, wie unser Nachtquatier aussehen soll.
Morgens verabschieden wir uns dann wieder, da sich unsere Planung für die nächsten Kilometer unterscheidet. Lima ist nicht mehr weit entfernt und für uns auch nicht mehr als ein Etappenziel.
Übernachten möchten wir in seinem Einzugsgebiet nicht und die Stadt läd uns auch nicht weiter ein, in ihr zu verweilen. Da wir am heutigen Tage entschließen, so viele Kilometer wie nur möglich zu
fahren, Lima hinter uns zu lassen und uns dann einen schönen Standplatz zu suchen, sind wir froh, dass wir von der Polizei nicht behelligt werden. Alles bis auf Letzteres klappt auch ganz
gut. Wie heißt es so schön: Wenn man einen guten Platz gefunden hat, soll man anhalten und sein Lager aufschlagen und nicht mehr weiterfahren. Und wie so viele bereits vor uns haben auch wir die
Erfahrung gemacht, dass wir an dem letzten schönen Platz vorbeigefahren sind und danach keiner mehr kam. Schon mit hereingebrochener Dämmerung biegen wir hinter einigen Hühnerfarmen einfach zum
Strand hin ab auf der Suche nach einem notdürftigen Platz für die Nacht.
Wie wir uns so dem Strand nähern, fallen uns zwei größere Fahrzeuge auf, doch die Entfernung ist noch zu groß, um ausmachen zu können, um was es sich hierbei handelt. Aus kürzerer Entfernung
können wir dann sehen, dass es sich um Camper handelt und zu unserer Freude erkennen wir wenig später vertraute Kennzeichen. Kurz später machen wir die Bekanntschaft von Lotti und Manfred in
ihrem Landcruiser und von Roswita und Holger in ihrem Mercedescamper. Als wir den deutlich rheinischen Einschlag bei Roswita und Holger ausmachen, fühlen wir uns fast wie Zuhause. Erstaunt sind
wir über die Größe der Wohnkabine von Lotti und Manfred, die uns sechs Personen leicht einen gemütlichen Raum bietet, um bis tief in den Abend hinein Erlebtes auszutauschen. Mit vielen
unbezahlbaren Informationen von den vieren im Gepäck - Vielen lieben Dank dafür! - geht es für uns nach einem schönen Abend am nächsten Morgen wieder auf die Straße, die ab hier Panamericana Sur
heißt. Nun sind auch wir mit einem Reisebuch über Peru und Bolivien ausgestattet, den wir von Roswita erhalten haben! Es gilt, weitere unendliche Wüstenlandschaften zu durchfahren, und unser
Mobil scheint es zu genießen. Noch nie haben wir so viel Sand auf so vielen und hohen Haufen gesehen. Immer wieder versuchen die Dünen, die Panamerikana zu überqueren, und es scheint, als sei die
ganze Umgebung ständig in Bewegung.
So wie wir, die wir uns zu späterem Zeitpunkt wieder melden werden, um zu berichten, wie es uns geht. Doch vorher grüßen wir alle unsere lieben Leser aus einem der trockensten Sandkästen der Welt.
(erschienen im März 2009 auf www.tesomobil.de/index.php)
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