reise-geschichten
Pirihuei, Pirihueico Panguipulli
Allá va, allá va, allá viene
Calafquen también Riñihue
Son lagos, son lagos no menos bellos
Allá va, allá va, allá viene
Cómo el gran lago Llanquihue
Allá va, allá va, allá viene
Pirihueico Panguipulli.
Auszug aus der Cueca "Los Lagos De Chile"
Dass es über die Regionen der Seen und Flüße Chiles ein Volkslied gibt, dass jedes fünfjährige Kind auswendig weiß, können wir
nach unserem Besuch nur allzu gut verstehen. Bereits alle Leute, die wir auf unserem Weg getroffen haben, haben in den höchsten Tönen von dieser Gegend geschwärmt und uns diese Ecke Chiles
nur wärmstens empfohlen. So kommt es denn auch, dass wir schier begeistert sind, als wir nur kurz nach Verlassen der Ruta 5, der uns so oft befördernden Panamerikana, in die wunderschöne
Landschaft östlich dieser Verkehrsachse abbiegen und in die von Naturschönheiten nur so verwöhnte Gegend eintauchen.
Direkt am Wegesrand gelegen auf unserer ersten Etappe zum Vulkan Villarica, brechen die Wasserfälle den Hang hinunter und wir halten kurz an, um uns am Salto del Laja etwas die Beine zu
vertreten. Bald darauf erreichen wir das kleine Städtchen direkt am gleichnamigen See bewacht vom Vulkan Villarica. Mit seinem perfekt geformten Konus posiert er vor unserer Kamera und lädt
uns zu einem Besuch ein. Wir fahren denn auch gleich weiter nach Pucón, einem kleinen touristischen Ort, den die bloße Tatsache jedoch nicht hässlich macht, am Ende des Lago Villarica. Dem
Polizisten ist es ziemlich gleich, dass wir mitten auf einem gepflasterten Plätzchen mit unserem Wohnzimmer parken. Ohnehin haben wir in Chile immer das Gefühl, überall einfach stehenbleiben
zu dürfen und willkommen zu sein. Nirgendwo hat man uns verjagt. So auch hier. Si claro, no hay problema. Ein von uns gern gehörter Satz!
In einem kleinen Tourismusbüro des Örtchens, das wie ein kleiner Skiort in den Alpen daherkommt, informieren wir uns über die verschiedenen touristischen Möglichkeiten und entscheiden uns
erst einmal, der Einladung unseres Freundes Vulkans nachzukommen bzw. die zu seinen Füßen gelegenen Cuevas Vulcánicas de Villarica zu besuchen. Angrenzend an den Nationalpark lassen
sich 250 m lange Lavahöhlen besichtigen. Die bei dem letzten großen Ausbruch des Vulkans entstandenen Höhlen bescheren den Besitzern des Geländes bestimmt finanziellen Reichtum. Doch
sind wir sehr beeindruckt, was die Lava mit ihrer zerstörerischen Kraft einerseits auch andererseits für schöne Gebilde schaffen kann. Soledad, die hiesige Fremdenführerin, gibt sich zwei
Stunden sehr große Mühe und macht unseren Abstecher zu einem gelungenen Ausflug.
Zum Nachmittag und nachdem wir uns vom Vulkan verabschiedet haben, durch den Wald über holprige Wege hinuntertuckernd, setzen wir unser Ziel auf die hochgelobten Térmas Geométricas. Wir
befinden uns im Land der Vulkane und so liegt es nahe, dass der Reisende an jeder Ecke ein Thermalbad vorfindet. Die Auswahl fällt bei der großen Anzahl schwer und so haben wir uns für die
schönsten entschieden. Frei nach dem rheinischen Sprichwort "Wat nix kost, dat iss nix" sind wir auch nicht sonderlich überrascht, dass wir für den Eintritt in das heiße Nass gute zwanzig
Dollar entrichten dürfen. Pro Person versteht sich. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, doch für heute ist es bereits zu spät in anbetracht der fortgeschrittenen Stunde den hohen
Eintrittspreis zu berappen. Also beschließen wir in Gegenwart der Betreiberin der Anlage, dass wir auf ihrem Parkplatz nächtigen werden. So lassen wir den heutigen Tag, der nicht so leicht
war, wie er klingt, mussten wir doch einige Kilometer auf den abenteuerlichsten Pisten quer durch die Wälder zurücklegen, bei einem Stück "Kuchen", wie es auch hier heißt, am offenen Feuer
des kleinen im Thermalbad befindlichen Cafés ausklingen.
Noch einmal schlafen und dann ist es schon so weit, dachten wir noch vor dem Einschlafen, nun sitzen wir bereits in den blubbernden und plätschernden Becken. Die toll angelegte Anlage ist ein
sich verjüngendes Tälchen. Eigentlich wäre dieser Ort unzugänglich, wollte man nicht den Fluss entgegen der Strömung bis zu einem Wasserfall schwimmen. Doch so gehen wir die über den Fluss
gebauten Stege entlang bis hinauf zum Wasserfall. Ein Anblick wie aus der Duschgelreklame der 80er. Überall dampft und schwefelt es wie im Märchenwald. Wir beide sind uns einig. Diese Bäder
sind die schönsten Thermalbäder, die wir auf unserer gesamten Reise gesehen haben, und hüpfen in einen der zahlreichen Natursteinpools, die so unauffällig in die Seiten gebaut sind und doch
nicht von uns unentdeckt bleiben. Und danach am wärmenden Feuer im Café noch ein Stück Kuchen mit dem obligatorischen Kaffee; ein perfekter Tag!
Am späten Nachmittag geht es für uns weiter durch die herrliche Landschaft, vorbei an Lican Ray am Lago Calafquen hinunter nach Panguipulli. Sind sie nicht witzig, die Namen dieser Orte? Für
uns sind sie eigentlich auch gar nicht mal von großer Bedeutung und obgleich der Schönheit der Landschaft kann man auf die Bezeichnungen auch verzichten.
Wir kehren schon bald wieder an unsere Hauptverkehrsachse, die "Pana", zurück und fahren noch ein ganzes Stück bis kurz vor Osorno. Randvoll sind wir mit Eindrücken der Natur und so sind wir
auch ein wenig froh, das Logo unseres Gastgebers vergangener Tage, einer Copec-Tankstelle, zu erblicken. Manchmal ist es schön, seine Augen und seinen Kopf keinen weiteren Eindrücken
auszusetzen und in gewohnter Umgebung abzuschalten - und nebenbei auch den an den Stationen gebotenen Komfort zu nutzen. Wir haben auch schon einen, sagen wir, festen Standplatz auf den
verschiedenen immer gleich angelegten Tankstellen, von denen wir wissen, dass hier die Neigung immer die gleiche ist - was wichtig für einen guten Kartoffelschlaf ist - und wo zudem der
Internetempfang stimmt.
Ein weiterer großer Lago liegt direkt auf unserer Route nach Puerto Montt, unserem Tor nach Patagonien. Da wir bislang lediglich spärliche Informationen zu unserem weiteren Reiseroutenverlauf
zusammentragen konnten, entscheiden wir uns, erst einmal nach Puerto Montt herunter zu fahren, um uns über die verschiedensten Fährmöglichkeiten ins Bild setzen zu lassen und später an den
Lago Llanquihue zurückzukehren. Doch sehr wählerisch können wir nicht sein. Über den Landweg können wir uns ohne übergroße Umwege nicht weiter gen Süden bewegen. Die legendäre Carretera
Austral, seinerzeit als Nord-Süd-Verbindung des chilenischen Patagoniens von Diktator Pinochet iniziiert und von mehr als 10.000 Soldaten in mehr als zwanzig Jahren gebaut, ist auf ihrem
nördlichen Teilstück bis zum heutigen Tage nicht fertig gestellt und die die Lücken schließenden Fähren haben bereits Winterpause. Zudem hat es in den vergangenen Wochen so starke Regenfälle
gegeben, dass die Straße nördlich Chaiténs auch noch unpassierbar ist. Chaitén als solches, bei einem Vulkanausbruch im letzten Jahr großteilig zerstört, ist immer noch evakuiert, soll auch
nicht mehr wieder aufgebaut werden und ist somit eine Geisterstadt. Die ganze Gegend liege unter einer dicken Ascheschicht.
Unser Informationsausflug endet damit, dass wir noch am selben Abend samt dem Tesomobil auf der Fähre nach Puerto Chacabuco / Puerto Aisen sitzen. Zwar haben wir auch eine Kabine buchen
müssen, doch ist es erlaubt, während der 24-stündigen Überfahrt in seinem Auto zu sitzen. Das ist nicht wirklich beruhigend, denn das gilt natürlich für alle anderen auch. Wir sehen unser
Boot wieder in Gefahr (man hat uns in der vergangenen Woche sogar den Spanngurt gestohlen, den wir als Befestigung für die Sandbleche benutzt hatten!), also heißt es für uns: Wir schlafen im
Mobil - was wir abgesehen davon natürlich vorziehen, bedenkt man, dass man unser Mobilchen steuerbord des Oberdecks verzurrt hat. Zimmer mit Meerblick nennen wir das und so machen wir uns
eine richtig gemütliche Zeit "an Bord", kochen uns zwischendurch eine Kleinigkeit und genießen es, durch die Fjorde kutschiert zu werden. Dazu gibt es aus unserer neuen und das Tesomobil
richtig aufwertenden Errungenschaft - dem Bordradio - säuselnde Musik. Vielen lieben Dank nochmal, Andi! Per Luftpost und Familienboten hat er uns ein weiteres Autoradio samt der sehr gut
klingenden Boxen in das ferne Chile geschickt. Es ist eingebaut und klingt hervorragend (und es braucht nur 1 Ampere Strom, was bei unseren limitierten Ressourcen nicht unwichtig ist!)
Bei unserem einzigen und auf Grund des sich verschlechternden Wetters recht kurz ausgefallenen Spaziergang an Deck, lassen wir es uns nicht nehmen, einmal beim Kapitän unseres Dampfers
anzuklopfen. Wir sind mitten in einem breiten Kanal unterwegs und so sollte es nicht allzu nervig sein, wenn wir mal auf der Brücke aufkreuzen. Scheinbar ist diese Strecke eine solche
Routine, dass sich der Kapitän ein Nickerchen gönnt, da wir nur den wachhabenden Offizier antreffen, der uns aber sehr freundlich alle Gerätschaften zeigt und erklärt. Gut, dass er kein
Deutsch spricht und nicht versteht, dass Lella den Außensteuerstand für einen Outdoorgrill hält. Er klärt uns bereitwilig darüber auf, dass das Geschaukel der vergangenen Nacht nicht etwa
schlechtes Wetter gewesen sei, sondern eher normale und eigentlich ruhige See war. Schlechtes Wetter fühle sich anders an. Na gut, wechseln wir beide uns einen wortlosen Blick. Aber, es hat
ganz ordentlich geschaukelt; das haben wir genau gemerkt! So haben wir gute 600 patagonische Kilometer zurückgelegt, ohne selbst gefahren zu sein. Ein ganz neues Gefühl und kein schlechtes
dazu.
Nach Verlassen der Fähre sollen wir auch noch Gelegenheit bekommen, die Carretera Austral, die sich durch eine Landschaft von Fjorden, Gletschern und Gebirgszügen schlängelnde Piste,
zumindest auf einem Teistück zu befahren. Lella testet mit einem Lauf um das Tesomobil herum noch schnell die Straßentauglichkeit ihrer Mond- und Schneestiefel, bevor es richtig losgeht. Die
"Straße", ein Leckerbissen für Endurofahrer im Sommer, kann, wenn man sie im Winter mit dem dazugehörigen Schnee befährt, auch ziemlich anstrengend sein, gerade wenn einem gute zehn Tonnen
Gepäck im Rücken drücken. Es sind natürlich bleibende Eindrücke, doch es ist saukalt und wir sind froh über jedes Schneeflöckchen, das nicht fällt, sondern brav in seiner Wolke verharrt,
zumindest für die Zeit, bis wir weg sind. Anlass zur Sorge gibt nur die Tatsache, dass sich unser Mobil mittlerweile anhört, wie ein getunter 911er Porsche - wir müssen dringend mal eine
Werkstatt aufsuchen. Zu allem Überfluss müssen wir bei unserem Rastplatz in der Einfahrt eines sehr netten Patagoniers feststellen, dass sich unser voller Fünf-Liter-Kanister kaltgepresstes
Olivenöl auf der Piste verselbstständigt hat und sich fast gänzlich ins Mobil ergossen hat. Frei nach der italienischen Weißheit "Ölivenöl kann nie schaden!", verreiben wir die Flüssigkeit
und saugen sie mit etlichen Toilettenpapierrollen auf. Nach einer guten Stunde bleibt die Gewissheit, dass der Holzboden im Mobil nun gut geölt ist und die Kälte Feuerlands gut überstehen
wird!
Wir sind denn auch froh, als wir über eine der schönsten Straßen Patagoniens (So heißt es in einem unserer Reiseführer!) endlich den kleinen Ort Chile Chico ohne weitere und größere Schäden
erreichen. Da sich die erforderliche Reparatur am Auto alsbald als Kleinigkeit herausstellt und die drei Schrauben am Hosenrohr des Auspuffs schnell wieder angezogen sind, der Ort
darüberhinaus so groß ist wie der Schneidhainer Spielplatz, beschließen wir, gleich weiterzufahren nach Perito Moreno in Argentinien. Wären da, ja wären da nicht diese verdammten Zwiebeln!
Schließlich haben wir uns in Chile Chico auf Grund der erwarteten Reparatur auf einen längeren Stand eingestellt, also brav etwas zu essen gekauft. Und nun stehen wir mal wieder an einer
Grenze mit frischem Obst und Gemüse im Gepäck. Also machen wir eine ausgedehnte Brotzeit direkt an der Grenzstation und befördern das meiste der Lebensmittel gleich in unsere Bäuche. Im Bauch
darf man die ganzen frischen Sachen ins Land einführen und schwups!, geht es weiter nach Perito Moreno in Argentinien.
Um niemanden in die Irre zu leiten: Die Argentinier machen sich scheinbar einen Spaß daraus, ihre Städte nach Orten zu benennen, die gar nichts mit ihnen zu tun haben. So befindet sich der
gleichnamige Gletscher nicht etwa dort, sondern schlappe sechshundert Kilometer weiter südlich. Nicht etwa, dass wir das nicht wussten, aber merkwürdig finden wir es schon.
Was die Carretera Austral für die Chilenen, heißt in Argentinien schlicht Ruta Quarenta, also Ruta 40. Die längste Straße Argentiniens, die den ganzen Westen dieses schönen Landes in
Nord-Süd-Richtung durchquert, ist zwar in den letzten Jahren immer wieder ausgebaut worden, doch bietet die, einfach so in den teils schroffen argentinischen Boden gekratzte Straße immer noch
einige Bereiche, die lediglich mit Offroadfahrzeugen befahren werden können. Den höchsten befahrbaren Pass der Welt "Abra del Acay" an der Grenze zu Bolivien gelegen - dort hatten wir ja
bereits großen Fahrspaß - behalten wir uns für spätere Reisen vor und versuchen erst einmal, die südlichen Teile der Straße zu meistern.
Der argentinische Teil Patagoniens ist weitaus flacher und ebener als der chilenische Teil und so sind es hier weite Steppen und eine riesige Pampa, die das Auge nicht zu sehr von der Piste
ablenken. Viele Automobilhersteller nutzen diese Straße als Teststrecke für ihre Fahrzeuge. Wir wissen nicht, ob sich unser Mobilchen hier auskennt, doch bewähren tut es sich auch hier in
glänzender Manier. Wir durchkreuzen mithilfe unseres treuen Beförderers weite Steppenlandschaften, in denen außer Schaf-, Rinder- und Viehherden keine Lebewesen anzutreffen sind und die
Entfernungen zu den einzelnen Orten sind enorm. Das ist auch immer wieder das Aufregende an unseren täglichen Abschnitten, denn wenn etwas passieren sollte, dann hängen wir sicherlich für
etwas länger fest.
In unserem Reiseführer heißt es, dass sich für das Bereisen Südpatagoniens der Hochsommer empfiehlt, der ja nun in unserem Fall definitiv vorbei ist und das schon seit längerem.
So sind es auch manchmal die Schreckgespenste, die uns Einheimische in Gesprächen heraufbeschwören, die uns Respekt einjagen. "Es soll schneien; morgen soll Schnee kommen". Der Schnee ist
schon da, nur liegt er noch auf höheren Höhen und bedeckt nur ab und an die Straße. Wenn so schöne Straßen wie die Ruta 40 vom Schnee bedeckt sind, bedeutet dies eine eigene Herausforderung,
überhaupt den Weg zu finden. Doch bislang haben wir Glück und es bleibt nur bei den Unkenrufen der Einheimischen.
Relativ mittig im Nichts der patagonischen Steppe gelegen, liegen die Cuevas de los Manos, eine von einem Pater gefundene, mit Höhlenmalereien von unschätzbarem Wert überzogene Höhle. (Was
der Pater in dieser gottverlassenen Gegend wohl gewollt haben mag, bleibt uns unbeantwortet.) Auch der Ursprung bzw. der Sinn und Zweck der vielen in Negativ- und Positivform an die
Höhlenwände gesprühten, meist linken Hände ist bislang ungeklärt. Eine Theorie besagt, dass die indigenen Urheber der Gebilde, einem Ritus folgend, Hände kranker Menschen auf die Felswand
legten und eine farbige Flüssigkeit (in Guanacofett gelöste Mineralien) mit dem Mund über die Hände sprühten, um so die Krankheit vom Menschen weg auf den Fels übergehen zu lassen und sie
somit zu heilen. Gleichzeitig schuf man so diese schönen Malereien. Diese Theorie scheint unserem Guide zumindest am plausibelsten, vollführten dieses Ritual auch noch nachgewiesene
Nachfahren dieser Höhlenbewohner, die allerdings statt der Wände weiße Pferde (Pardon, Christiane, Schimmel!) nutzten.
Zu der Zeit, aus der die Höhlenmalereien stammen, gab es in Patagonien noch keine Pferde, sodass man sich der Felswände bedient hat. Dieser Felswand haben sich auch leider in der Neuzeit so
einige Menschen bedient und in größter Banauserie entweder die Wände mit ihren eigenen Graffitis beschmiert oder gleich einige der bemalten Felsstücke herausgebrochen und als kleines Andenken
mit nach Hause genommen. Daher hat man einen Maschendrahtzaun um die Höhlenmalereien aufbauen müssen, um die Anlage besser zu schützen.
Erstaunlich ist die Geschichte hinter diesen, teils über 9.000 Jahren alten Malereien. Quasi das Leben des Künstlers. In der Hauptsache hat man sich hier nämlich nicht etwa zum Malen, sondern
vielmehr zum Jagen getroffen. Interessant auch, dass sich genau solch eine Darstellung der Jagd als Gemälde in einem Teil der Felswand wiederfindet, die in ihrer Form genau dem Felsverlauf
der gegenübliegenden Uferseite der Schlucht des Rio Pinturas entspricht. Deutlich zu sehen ist hier, dass man den alle drei Tage das Wasser aufsuchenden Guanakos förmlich aufgelauert hat.
Diese südamerikanische Lamaart hat die Eigenschaft, sehr wachsam und sensibel wie scheu zu sein, die zwar als Gruppe auftritt, doch bei Gefahr alle in unterschiedliche Richtungen
laufen, um ihre Jäger zu zwingen, sich für ein Tier zu entscheiden. Entgegen des patagonischen Windes, der in der Regel aus Nordwest bläst, konnte man hier in der Schlucht den Tieren
auflauern, um sie gezielt an einem Punkt zusammenzutreiben, um sie so leichter mit Steinschleudern erlegen zu können. Der strategisch günstige Punkt ist der Grund, warum sich Jäger in
vergangenen Zeiten gerade diesen Platz ausgesucht haben, zählt er doch als eine von drei Möglichkeiten für die Guanakos, innerhalb eines zwanzig Kilometer großen Gebietes an das Wasser zu
kommen.
In der anschließenden Nacht, wir haben uns nur einige respektvolle Meter vom Parkplatz des Geländes entfernt, werden wir das erste Mal so richtig vom patagonischen Wind hin- und
hergeschüttelt. Es faucht und heult um das Mobil und es fällt schwer einzuschlafen, auch wenn wir samt der ganzen Kabine im Takt des Windes gewogen werden. Doch Tags darauf ist der Spuk auch
schon wieder vorbei und wir setzen unsere Fahrt durch Patagonien weiter fort.
Da unser nächstes Ziel mit über vierhundert Kilometern Entfernung nicht eben in erreichbarer Nähe liegt, heißt es für uns, uns auf halbem Wege einen Nachtplatz suchen zu müssen. Und fest
steht auch, dass wir uns nicht noch einmal so durchschütteln lassen möchten wie in der vergangenen Nacht. Nicht unbedingt wollen wir in Erfahrung bringen, ob der Schwerpunkt unseres
Reisemobils nicht doch zu hoch liegt, jedenfalls zu hoch für patagonischen Wind. Also machen wir nach genügend langer Fahrt Stopp an einer Estancia, einer Schafzucht entlang des Weges. Einige
dieser Estancias sind in den letzten Jahren zu waren Touristenoasen erschlossen worden. Nicht so die, die wir ansteuern. (Nicht, dass wir die Wahl hätten, es gibt hier nur diese eine!) Also
suchen wir auf der verwaisten Estancia nach jemandem, den wir um Erlaubnis zum Verbleiben über Nacht bitten könnten, doch außer dem Schafhirten Antonio treffen wir niemanden. Der Padron sei
seit gestern außer Haus, aber er würde ihn heute zurückerwarten. Und wenn nicht heute, dann käme er morgen. Soll uns recht sein. Zwar kommt einige Zeit später ein eingestaubter und zudem
antik anmutender Landrover auf die Estancia gefahren, doch dabei handelt es sich lediglich um den Bruder des Besitzers. Lella mit ihrem sicheren Gespür für Fettnäpfchen erkundigt sich nach
dem Alter des Gefährts und bekommt als Antwort, er sei knapp fünf Jahre alt. Ups! Wir dürfen trotzdem über Nacht bleiben. Und so haben wir noch Gelegenheit, Antonio bei seiner Arbeit
zuzuschauen, den Schafen einen neuen Haarschnitt zu verpassen, damit die Tiere wieder ihr Futter aufspüren können. Routiniert wirft er jedes der flauschigen Tierchen, die es allesamt locker
gewichtstechnisch mit ihm aufnehmen könnten, auf den Rücken und entfernt ihnen die Wolle aus den Gesicht. Die Ohren blieben bei allen Schafen dran. Der Patron übrigens war am nächsten Tag
immer noch nicht da und uns beschleicht das Gefühl, dass vielleicht doch Don Antonio der Besitzer der Estancia ist.
Den legänderen Fitz Roy zu Gesicht zu bekommen, ist unser kühner Wunsch. Klar, zwar haben bereits andere Reisende ganze drei Wochen in El Chalten, dem kleinen Bergsteigernest am Fuße des sie
anlockenden Berges verbracht, ohne ihn auch nur einmal gesehen zu haben. Aber bei uns ist das anders. Wir fahren da mal hin, stellen uns zeitig am Nachmittag zum Fototermin vor den Berg,
rufen einmal, und der gute Fitz Roy lacht uns in die Kamera. Denkste! Wir stellen uns brav auf dem kleinen Campingplatz des Nationalparks in Position und das einzige, was wir mitbekommen, ist
die Information der sehr hilsbereiten Nationalparkdame, dass man schlechtes Wetter erwarte, und schneien soll es auch. Scheinbar hat das dieser unter Bergsteigern berühmtberüchtigte Berg auch
gehört und sich mal sicherheitshalber verzogen, denn wir sehen außer Wolken rein gar nichts. Somit geben wir uns gezwungenermaßen damit zufrieden, einmal an seinem Fuße übernachtet zu haben,
bevor wir mit unserem Tesomobil durch Patagonien weiterreisen.
Von einem El ins nächste, nämlich von El Chaltén, mit seinen 24 Jahren die jüngste Ortschaft Argentinien, nach El Calafate, der Welthauptstadt der Gletscher am Lago Argentino. Das kleine
Städtchen ist in den letzten fünfzehn Jahren um das Fünffache angewachsen und man hat sofort das Gefühl, dass es allen hier sehr gut geht bzw. dass man hier sehr gut vom Tourismus leben
kann.
Von El Calafate starten wir morgen Früh zum Perito Moreno Gletscher und wollen doch mal schauen, ob wir eventuell dabei sein können, wenn haushohe Eisberge mit lautem Getöse in den Lago
Argentino krachen. Das bleibt abzuwarten. Bis dahin sitzen wir bei ruhiger argentinischer Musik, einem Glas Rotwein (natürlich begleitet von kleinen Gaumenfreuden) in einem Bistro an der
Hauptstraße Calafates und genießen den Abend, nicht ohne Euch allen viele liebe Grüße zu schicken. Hier ist es eisekalt, doch wunderschön.
Lella & Tommi
Entsprechende Bildergalerie der ehemaligen privaten web page ansehen:
www.tesomobil.de/index.php
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