"Von Viedma über Mar del Plata nach Buenos Aires"

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Auf unserem Weg, die letzten tausend Kilometer bis Buenos Aires, liegen noch ein paar hübsche Örtchen am Wegesrande. Natürlich bleiben wir bei dem ein oder anderen dieser Orte stehen oder richten es so ein, dass wir hier unsere Nachtplätze aufschlagen. Und darüber hinaus gibt es auch noch Tiere zu besichtigen. Wenn wir ja leider bei unserer Fahrt hinauf entlang der argentinischen Küste keine Pinguine zu Gesicht bekommen haben, so nisten hier zumindest - und das ist nicht minder beeindruckend - Hunderttausende von Loros.

Papageien am Meer, so fragen wir uns, doch fahren wir den Abstecher hinaus nach Balneario del Cóndor. Auch der Name mutet nicht gerade nach Papageien an, doch lassen wir uns gerne überraschen. Von anderen Reisenden - vielen Dank übrigens für den Tipp - wissen wir, wo man sich gut parken kann über Nacht und so schauen wir uns bei unserer Ankunft lediglich den Sonnenuntergang und den Mondaufgang am Meer an, um danach direkt zum Leuchtturm hinaufzufahren. Neben dem Leuchtturm dann schauen wir uns bei gemütlichen zwei Tassen Kaffee den Sonnenaufgang an und machen uns auf zu der größten Loro-Kolonie der Welt - sage und schreibe 35.000 Nester gibt es hier zu bestaunen entlang der 12 km Felswand. Nur einige Meter brauchen wir uns den Klippen der Küste nähern und das Geschrei der kleinen Tierchen ist schon fast ohrenbetäubend. Zu Abertausenden kreisen sie kreischend durch die Lüfte. Von weitem nicht mehr als kleine schwarze Punkte, erkennt man bei näherem Hinsehen ihre ganze Farbpracht. Sehr scheu flattern sie sofort auf, wenn man sich ihnen nähert. So verbringen wir fast zwei Stunden mit dem Beobachten und dem Fotografieren der lustigen Vögel und machen uns zum Nachmittag auf unsere weitere Etappe auf.

Vor einigen Tagen haben wir uns noch einmal mit unseren irischen Reisefreunden aus Chicago in Buenos Aires verabredet, sodass wir die letzten Fahretappen immer etwas ausgedehnt haben. Doch mit unserer Ankunft in Mar del Plata entscheiden wir uns für einen dringend notwendigen Pausentag. Der Ferienort der Porteños in Argentinien ist recht verwaist. Viele der die Costanera säumenden Appartmenthäuser scheinen leer und werden lediglich von den sie bewachenden Concierges betreten in diesen Zeiten. Der Blick auf das Meer ist trotz der kalten Jahreszeit ein sehr schöner und so verwundert es auch nicht, dass wir uns für unser Verweilen in der Stadt wieder einen Strandplatz aussuchen. Der bewachte Parkplatz ist günstig und scheint uns ein sicheres Örtchen für die Zeit, die wir nicht beim Auto sind. Hier bieten sich uns alle Einrichtungen, die wir nun brauchen.

Wir erkunden fußläufig etwas die Stadt. Immer wieder ist es eine ziemliche Umstellung, nach tagelanger Fahrt durch, wenn auch sehr schöne, dennoch recht ereignislose Landschaften unvermittelt in recht quirlige Städte zu kommen. Doch wir genießen den Kontrast und schlendern durch die hiesigen Füßgängerzonen. Während es unterwegs meist nur schlechten Kaffee an kleinen und teils doch arg heruntergekommenen Tankstellen gibt, wo wir nie wissen, ob die dort aufgestellten Kaffeeautomaten schon jemals eine Reinigung erfahren haben, finden wir uns in Mar del Plata schnell in einem der zahlreichen Kaffehäuser mit  vorzüglichem Kaffeeangebot wieder. Auch die hiesigen Promotionen - zu einem Kaffee gibt es jeweils drei kleine Croissants dazu - sind genau nach unserem Geschmack. Als hätte man uns unsere Wünsche von der Stirn abgelesen, finden wir auch sehr schnell eine ganze Reihe verschiedener Waschsalons, wo wir bald unsere gesamte Wäsche abgeben. Natürlich widerstehen wir auch nicht dem verlockenden Grillgeruch eines guten Steakhauses und schlemmen nach Herzenslust. Die stundenlange Unbeweglichkeit in der Fahrerkabine der letzten Tage hat sich an unseren Rücken bemerkbar gemacht und so kommt uns die zweitägige Fahrpause mit vielen Fußmärschen durch die Stadt nur zugute.

Die letzten gut 400 Kilometer nach Buenos Aires legen wir auf der sehr gut ausgebauten Autopista in einem Stück zurück. Zwar ist es einmal mehr eine sehr lange Strecke mit unserem nicht allzu schnellen Mobil, aber wir freuen uns schon auf die Hauptstadt und auf das Wiedersehen mit alten Bekannten. Gran Buenos Aires ist mit seinen 12 Millionen Einwohnern nur unwesentlich größer als Frankfurt und so wäre es ratsam gewesen, die Wegbeschreibung bezüglich unseres Treffpunktes detaillierter studiert zu haben. Lediglich den Namen der Avenida haben wir uns notiert und sind irritiert, wie lang doch die Avenida Antartida Argentina ist! Von dem amerikanischen Campervan keine Spur! Wir bauen einmal mehr auf unseren Instinkt und stellen uns auf einen großen Parkplatz direkt neben dem Fähranleger der großen busähnlichen Fähren nach Uruguay. Es sind auch schon andere Reisende vor Ort. Reisende, die sich entweder auf ihren Rücktransport nach Deutschland vorbereiten oder die gerade in Buenos Aires angekommen sind und ihre Autos für die große Reise vorbereiten. Da Sheila und Jimmy von anderen Reisenden, die sie getroffen haben, berichtet haben, sind wir uns fast sicher, dass wir hier nicht ganz falsch stehen und ziehen uns für den Abend zurück.

Punkt zehn Uhr abends - hatte Thomas etwa am und pm verwechselt? - hupt es auch schon aus der Ferne. Unter vielen anderen die Abendfähre aus Uruguai verlassenden Fahrzeugen ist auch ein silbergrauer Campervan, der sich auf den Stellplatz neben uns gesellt und so stehen wir seit La Paz in Bolivien Ende März das erste Mal wieder nebeneinander. Schön ist es, alte Bekannte zu treffen. Während wir uns seinerzeit durch den Süden Boliviens gequält haben und in der Folge durch Chile bis in den Süden gefahren sind, wurden Sheila und Jimmy mehr oder minder durch die Behörden gezwungen, durch Argentinien zu fahren. Man hatte ihnen in Chile die erforderlichen Papiere für ihren Hund Francie verweigert und so wählten sie den Weg des geringeren Widerstandes. So haben wir uns den gesamten Weg bis nach Ushuaia nicht mehr gesehen, weshalb die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten groß ist und Francie vor Begeisterung über den Parkplatz hüpft. Für solche Momente finden wir - hatten wir doch versäumt etwas einzukaufen - immer noch ein Fläschen irgendwo im Mobil. Gemeinsam werden wir sicher das ein oder andere in der großen Stadt unternehmen.

Nach dem Ausschlafen erkunden wir die nähere Umgebung. Vergleichbar mit der Hafencity Hamburg oder der Gegend um den Frankfurter Westhafen, wenn auch etwas großstädtischer, wohnen wir mitten in Puerto Madero, dem modernsten Stadtteil Buenos Aires'. Während eine Seite des Hafenbeckens von in die restaurierten, alten Hafenspeicher eingezogenen Restaurants gesäumt ist, finden wir auf der anderen Seite unterschiedliche Cafés. Mittendrin haben alte Segler ein letztes Mal festgemacht und dienen einerseits als Museumsschiffe. Andererseits stellen sie einen charmanten Kontrast zu dem sehr schick gestalteten Ambiente dar. Die alten Lastkräne - die ihren Weg wohl während des Kommunismus nach Buenos Aires fanden, sind sie doch aus der ehemaligen DDR - sind schön beleuchtet und tun ihr Übriges zur Verschönerung der Gegend.

Hier in Puerto Madero, wohl auch begünstigt durch die alle hundert Meter patrollierenden Polizisten, flaniert das Who's Who der Stadt und die Damen präsentieren so beiläufig wie stolz ihre Handtaschen. Die vielen Restaurants locken hunderte Gäste mittags und auch in den Abendstunden in diese Gegend. Wir laufen einmal um das vier Hafenbecken umfassende Areal und schauen uns die gesamte Gegend an, bevor wir an unser Mobil zurückkehren.  

Es scheint nicht mehr möglich zu sein, an Fußballtickets für das Stadtderby Boca-Juniors gegen Racing zu kommen; zu ungenau sind die Informationen, wo man sie denn nu kaufen kann. Wir laufen durch die halbe Stadt. Von der Zentrale des Fussballclubs Racing bishin zum Stadion. Die Jagd nach Tickets wird zum stundenlangen Spaziergang mit ungewissem Ausgang. Doch irgendwann finden wir eine Menschenschlange, die auf ein noch aufzubauendes Verkaufshäuschen wartet, um eines der begehrten Fussballtickets zu kaufen. Groß ist die Freude, als ein kleiner Büroanhänger am Beginn der Schlange wartender Fans geparkt  hat und die kleinen Fensterchen geöffnet werden. Wir kaufen uns vier Tickets in einer "sicheren" Zone und können die Vorfreude kaum fassen, laufen zu den bei Wal-Mart geparkten Autos zurück, kaufen etwas ein, essen eine Kleinigkeit und stoßen an, bevor wir mit einem Taxi wieder zurück zum Stadion fahren.

Die Straßen sind abgesperrt und wir bekommen lediglich Racingfans zu sehen. Alles ist Blauweiß und die Stimmung ist großartig! Im Stadion dann ist es schier unglaublich, wie ausgelassen - klar fallen einige nicht ganz so feine Worttiraden - die Fans ihre Kicker feiern. Sicher liegt dies auch an den im Stadion verbotenen alkoholischen Getränken, dass es hier zu keinen Ausschreitungen kommt. Das Spiel geht heute zu Gunsten der Racing-Mannschaft aus und das 3:0 grenzt für Boca an eine Blamage. Ein wirklich beeindruckendes Spektake!. Nach dem Spiel dauert es fast eine geschlagene Stunde, ehe man uns aus dem Stadion lässt. Scheinbar wartet man, bis auch der letzte Fan der Gastmannschaft das Viertel verlassen hat. Zurück bei den Autos, entscheiden wir uns, wieder nach Puerto Madero hinüberzufahren. 

Während wir tagsüber um die Autos den Tag vertrödeln, steht für den Abend der Besuch einer Tangoshow an, schließlich ist Buenos Aires die Wiege des Tango Argentino. Nicht wissend, in welche der zahlreichen Tangobars wir gehen sollen, lassen wir uns vom hiesigen Tourismusbüro inspirieren. Unsere Angst, dass wir in einem für unseren Geschmack zu touristischen Etablissement landen, ist bei allen Beteiligten groß, doch letztlich unbegründet. Der Abend beginnt mit einem ordentlichen Drei-Gänge-Menü und einem Fläschen argentinischen Rotweins und gut gestärkt begeben wir uns dann nach gegenüber in das kleine Tanztheater. Die zweistündige Show verfolgen wir aus der ersten Reihe und sind von den komplizierten Schritten beeindruckt und auch ein wenig motiviert, uns zu gegebener Zeit nach einer Tangoschule umzuschauen, wo wir unsere eigenen Gräten auch einmal wieder bewegen können. Zurück bei unseren Autos, lassen wir den Abend ausklingen, auch wenn Francie nicht so genau zu wissen scheint, ob er sich über unsere Rückkehr freuen soll, angesichts des Blödsinns, den wir noch treiben, ehe wir alle zu Bett gehen.

Als mehr oder weniger Nachtschwärmer brauchen wir morgens oftmals etwas länger, bis wir die Mobilfenster öffnen und so steht nach einem langen Abend am Folgetag immer etwas reduziertes Programm an. Doch der Besuch des gleich nebenan gelegenen Immigrationsmuseums drängt sich uns förmlich auf, stehen wir mit unserem Tesomobil doch direkt an dem Quai, an dem vor etlichen Jahren auch die Einwanderer aus ganz Europa erstmals ihren Fuß auf argentinischen Boden gesetzt haben.

Hier wollen wir auch versuchen, die verlorene Spur nach Lellas Familienangehörigen aufzunehmen. Es ist erstaunlich, dass knapp 60 Jahre später noch nachvollzogen werden kann, dass die Tante ihres Vaters und ihr Mann mit Kind am 21.08.1947 mit dem Passagierschiff San Giorgio von Neapel nach Buenos Aires kamen. Genau in diesem Gebäude hatten sie seinerzeit ihre Dokumente beantragt und bekamen wie alle anderen Immigranten auch für fünf Tage Kost und Logis, sodass sie sich nach einer Arbeitsstelle umschauen konnten und gegebenenfalls Zusatzqualifikationen erlangen konnten. Jetzt heißt es nur noch, die 96 Familien anzurufen, die in Rosario auf den Namen Santoro im Telefonbuch eingetragen sind! Wenn das Abtelefonieren von Erfolg gekrönt sein sollte, werden wir entscheiden, ob wir noch einen Abstecher ins 300km entfernte Rosario machen werden.

Der irische Kulturclub hat Sheila, sie ist eine hervoragende Akkordeonspielerin, zu einer Session in eine Bar eingeladen und so steht unser heutiges Abendprogramm fest. Der Empfang ist herzlich und auch wenn Sheila seit Beginn ihrer Reise nicht mehr an solchen Musikertreffen teilgenommen hat, ist sie nach nur Sekundenbruchteilen mit von der Partie. Wir alle genießen einen netten Abend mit bester irischer Musik, erleben tolle Musiker und haben großen Spaß.

Nach einer kurzen Woche gemeinsamer Unternehmungen ist es viel zu schnell Zeit, Adieu zu sagen, denn unsere drei liebgewonnenen Freunde ziehen weiter nach Paraguay und Brasilien. So wünschen wir ihnen alles Gute auf ihren noch folgenden Kilometern und hoffen, dass alles glatt geht mit ihrer Verschiffung zurück nach Amerika. Wir freuen uns darauf, uns irgendwo auf dieser Welt mal wieder zu sehen und verabschieden uns voneinander.

Das Tesomobil steht weiterhin an der Hafenmole. Wir werden einen Discount mit dem Parkplatzwächter vereinbaren und von hier aus unsere weiteren Erkundungen durch die Stadt in Angriff nehmen. Unsere Füße werden uns in den nächsten Tagen und Wochen  sicherlich noch einige Male wehtun, angesichts der zurückzulegenen Wege auf unseren Besichtigungstouren. Natürlich berichten wir beizeiten wieder davon und grüßen erst mal die Heimat aus einer wirklich tollen und erlebnisreichen Stadt.

Bis bald
Lella & Tommi

Entsprechende Bildergalerie der ehemaligen web page ansehen: 
www.tesomobil.de/index.php  
 

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