reise-geschichten
"Hauptsache, wir sind gesund!", befinden Asia und Julien, unsere neuen Wohnmobil-Nachbarn aus Frankreich abschließend, als sie ihr
Erlebtes am Beginn ihrer großen Reise zusammenfassen. Man hätte nur allzu gut verstanden, wenn Julien zumindest während der Erzählung aus der Haut gefahren wäre, weil man ihm vor Reiseantritt das
Reisemobil aufgebrochen und die wichtigsten Dinge gestohlen hat. Aber die beiden sind entweder sehr gut auf alles vorbereitet oder einfach nur beneidenswert gelassen.
Sie beide haben ihr Auto, ein Fiat-Ducato-Wohnmobil, nicht während der Überfahrt nach Buenos Aires begleitet und wurden somit am
hiesigen Hafen kalt überrascht. Das Motto der Reise, hier und da mit dem Gleitschirm in die Lüfte zu gehen und sich das Land aus der Perspektive der Kondore anzuschauen, ist zumindest als
gemeinsames Erlebnis durch den Diebstahl des Tandemschirmes aus dem Auto in Frage gestellt.
Ärgerlich auch, dass die Übeltäter durch ihre grobe und sehr unbeholfene Arbeitsweise fast alle Fenster des Mobils demoliert
haben. Wir rätseln gemeinsam und können im Ergebnis nur auf eine mögliche Vermutung kommen, dass die Autos auf See aufgebrochen werden, durch wen auch immer. Nicht vorstellen können wir uns, dass
sich innerhalb des Hafens jemand stundenlang an einem Auto zu schaffen machen kann, ohne erwischt zu werden. Während hingegen auf See alle Zeit der Welt zur Verfügung steht, sich an einem
Campingfahrzeug zu vergreifen. Sind wir froh, dass wir kommende Woche mit an Bord sein werden!
Wir haben Julien versprochen, in der Zukunft nach einem Gleitschirm Ausschau zu halten, und helfen den beiden erst einmal, die
Fenster provisorisch wieder in Ordnung zu bringen, denn ihr Werkzeug wurde natürlich auch mitgenommen! Aber das ist Grund genug, uns am Abend alle gemeinsam zu treffen und ein Gläschen bei viel
Plausch zu heben, bevor wir uns auch schon am Folgetag von ihnen verabschieden. Hoffentlich bleibt diese erste Enttäuschung der beiden die einzige auf der ihnen bevorstehenden einjährigen
Reise!
Bislang hatten wir es versäumt, auch einmal den in sämtlichen Reiseführern gelobten Flohmarkt in San Telmo zu besuchen, und da wir
heute ohnehin dort erwartet werden, schauen wir uns um, sind jedoch nicht sehr begeistert. Denn dass er als der bunteste in Argentinien beschrieben wird, kann nur daran liegen, dass es sich
hierbei vielleicht um den einzigen handelt!
Also widmen wir uns unserer Verabredung und gehen anschließend gleich nach Hause zum Mobil. Es ist nicht ganz eindeutig zu
erkennen - sicherlich gewollt - ob Monika und Hans, die deutschen Bewohner des Magirus-LKW-Reisemobils aus Spanien, das uns Gesellschaft leistet, zuhause sind. Sie haben ihre Fenster außen mit
Stahlblechklappen versehen und durch die schmalen Lüftungsschlitze hindurch kann man kein Licht erkennen. Gleich am nächsten Morgen müssen wir uns die Angelegenheit der Klappen einmal genauer
anschauen. Hätte das französische Auto solche Klappen gehabt, wäre wahrscheinlich nichts passiert. Wir hoffen, durch das ein oder andere aufgebrochene Auto sensibilisiert und etwas nervös
geworden bei dem Gedanken an die Verschiffung, auf unsere Fenster und ihre Stabilität, sollte hier jemand Hand anlegen wollen. Dass wir in diesem Fall eher von hitzigerem Gemüt sind als unsere
ehemaligen französischen Nachbarn, dürften wir ja bereits in Kolumbien unter Beweis gestellt haben.
Von Romina, unserer Tangolehrerin, bekommen wir einen Tipp, wo es diese leichten und dazu noch ziemlich hippen Tangoschuhe gibt.
Und so kommt es, dass wir nach all den Sightseeingtouren durch Buenos Aires noch einen wahren Marathon absolvieren. Sicher wäre der Weg bis zum prunkvollen Palacio de Aguas Corrientes, dem Sitz
der nationalen Sanitären Einrichtungen, dessen Front 130.000 Ziegelsteine und 170.000 farbige Kacheln zieren, bereits genug für einen ausgedehnten Spaziergang gewesen. Jedoch ist es nur der halbe
Weg.
Im zehnten Stockwerk eines Appartementhochhauses finden wir den Verkaufsraum von "Fabioshoes" und gehen direkt daran, sämtliche an
den Wänden der zum Geschäft umgebauten Wohnung gestapelten Kartons nach den unterschiedlichsten Schuhmodellen zu durchsuchen. (Ist das schön, endlich mal wieder neue Schuhe anzuprobieren!) Wir
werden auch mehrmals fündig. Schade nur, dass man hier lediglich „en efectivo“, soll heißen bar bezahlen kann. So folgt ein weiterer Spaziergang einige Blocks zu einer Bank, um an Bares zu
kommen. Mit Hin- und Rückläufen sind wir an diesem Tag sicherlich bereits mehr als zehn Kilometer querbeet durch die Stadt gelaufen. Genau die richtigen Vorraussetzungen für den Marsch hinüber in
ein anderes Stadtviertel und alles in allem eine gute Übung für die Füße, vor einer ausgedehnten Tangostunde, nach der es noch einmal zweieinhalb Kilometer zurück zum Parkplatz geht.
Herrlich!
Von Monika und Hans, dem sehr netten deutschen Paar aus Spanien und ihrem Magirus - ein prima Auto mit einem kurzen und wirklich
toll durchdachten Innenausbau - müssen wir uns leider auch schon verabschieden. Schade, dass wir nicht mehr die Zeit gefunden haben für ein Fläschchen Wein im Tesomobil.
Aber für uns geht es nun doch noch zu einem Ausflug. Doch erst einmal geben wir unser Tesomobil in die Hände der Prefectura von
Puerto Madero in der Hoffnung, dass sie gut drauf aufpassen wird während unserer fast viertägigen Abwesenheit.
Wer hätte gedacht, dass es ein solches Unterfangen werde würde, einen Flug über eine Internetplattform zu buchen! Wir hatten uns
diesen Ausflug, wie bereits geschrieben, ja fast schon aus dem Sinn geschlagen, weil so teuer, dann im Internet gebucht und uns gefreut, dass wir doch noch die Möglichkeit bekommen würden, die
Iguazú-Fälle vor unserer Abreise zu Gesicht zu bekommen.
Doch da hätten wir die Rechnung fast ohne das Kleinstgedruckte der LAN gemacht, denn als wir uns sicherheitshalber doch noch die
Buchungsbestätigung ausdrucken, lesen wir zu unserer Empörung, dass der von uns gebuchte Tarif ausschließlich für Argentinier gilt und dass diese Tickets ungültig sind, wenn wir am Check-in nicht
unsere Residenz in diesem Land nachweisen können. Und dies, ohne dass irgendwo auch nur der kleinste Hinweis während der Buchung zu lesen gewesen wäre. Hilfreich wäre da eine dicke aufpoppende
Warnung gewesen mit den Worten „Achtung! Ausländer!“.
Jetzt geht es darum zu hoffen, dass wir nicht erwischt werden, als Ausländer erkannt und womöglich nicht mitgenommen zu werden,
schließlich haben wir das Hotel bereits gebucht und bezahlt! Ein freundlicher Bodenmitarbeiter der LAN hilft uns noch bei der Bedienung der Maschine und es kommt tatsächlich ein Boardingpass
heraus, der jedoch angeblich nochmals am Gate konfirmiert werden muss. So bleiben wir während der folgenden zwei Stunden immer noch im Ungewissen, ob wir denn nun tatsächlich fliegen
dürfen.
Ganz aufgeregt kommen wir an der die Boerdingpasse abreißenden Dame vorbei und hoffen, dass sie nicht an unserem Gesicht abliest,
dass uns das Ticket gar nicht zusteht. Wir können nur froh sein, dass die Argentinier noch nicht darauf gekommen sind, den Ausländern ein Erkennungsband um den Arm zu verpassen, um sie auf Anhieb
als solche von ihren Landsmännern unterscheiden zu können!
Als wir nur knappe zwei Stunden später in Puerto Iguazú landen, erwartet uns schönes Wetter, ein freundlicher Taxifahrer und ein
abgetakeltes ehemaliges Fünfsternehotel unweit der größten Wasserfälle der Welt, deren Besuch wir für den nächsten Tag geplant haben. Zunächst lassen wir die neue und auch ungewohnte Umgebung auf
uns wirken und probieren alle sich in einem Hotel bietenden Annehmlichkeiten aus. Unendliches heißes Duschen ist für Reisemobilisten etwas sehr schönes und wir freuen uns, das mal wieder genießen
zu können.
Unser Taxifahrer holt uns zu vereinbarter Zeit im Hotel ab und wir fahren hinaus zu den Wasserfällen. Heute erst einmal auf
argentinischer Seite, durchwandern wir auf den verschiedensten Wegen den Nationalpark und haben immer wieder tolle Aussichten auf die Fälle. Den Höhepunkt stellt mit Sicherheit die Garganta del
Diablo, die Teufelsschlucht, dar, in dem die Wassermassen unter lautem Getöse in einem Halbkreis in die Tiefe stürzen. Im Gegensatz zu den Niagara-Fällen hat man hier nicht alles zu einer
abgeschmackten Kirmes verkommen lassen und Besucher können dieses gewaltige Naturschauspiel ohne viel Klimbim bestaunen. Vereinzelt gibt es kleine Snackbars, aber alles erscheint uns sehr
gelungen in die Natur gebaut zu sein.
Ein freundlicher Chinese hilft uns noch dazu über unseren Zigarettennotstand - das frische Päckchen war Thomas im Taxi aus der
Jackentasche gerutscht und im Nationalpark gibt es wegen des vorherrschenden Rauchverbotes keine Zigaretten zu kaufen - hinweg. Witzig, ohne die geringste Mimik schafft der nette Mann es, einen
etwas an Maschinengewehr erinnerndes Lachen hervorzuzaubern.
Ist es eine Art Nationalstolz oder lediglich Konkurrenzdenken, dass einem jeder Argentinier erzählt, dass naturalmente Argentinien
den schönsten Teil der Wasserfälle hat? Schließlich liegen knapp Dreiviertel der beeindruckenden Wasserfront auf argentinischem Territorium. Aber nicht zuletzt von Reisenden haben wir vermehrt
gehört, dass eigentlich die brasilianische Seite die schöneren Ausblicke bereithält, da man dort einen herrlichen Panoramablick auf das Geschehen hat.
Beinahe wäre unser Taxiausflug am nächsten Tag dann auch buchstäblich ins Wasser gefallen. Schon in der Nacht hatte es angefangen,
in Strömen zu regnen und dies soll sich untertags auch nicht ändern. Doch tut dies unseren Eindrücken eigentlich keinen Abbruch, so ist unsere erste Station im knapp 30 km entfernten Brasilien
der Vogelpark innerhalb des Nationalparkes. Hier im Parque das Aves hat man auf 16,5 Hektar Fläche innerhalb nativen Waldbestandes zirka 900 Exemplare von 180 verschiedenen Vogelarten auf eine
sehr rücksichtsvolle Art untergebracht. Viele der in ihrer Mehrheit brasilianischen Arten, aber auch Spezies aus Afrika, Asien und Australien hatten wir bislang noch nicht in der freien Natur
sehen können, sodass es uns eine besondere Freude ist, den Riesentukan mit seinem ansehnlichen gelb-orangenen Schnabel aus der Nähe zu betrachten und ihnen bei ihrer charakteristischen hüpfenden
Art der Fortbewegung zuzuschauen.
Gleich auf der anderen Straßenseite liegt der Eingang zu den Wasserfällen. Es ist gigantisch, welch ein Szenario sich von der
brasilianischen Seite der Wasserfälle bietet! Unbeschreiblich, mitunter auch sehr feucht, sprüht uns an einigen Stellen die Gischt des herabstürzenden Wassers ins Gesicht, während der Regen von
oben für die zu unseren Klamotten passende Frisur sorgt. Wir kommen nicht drum herum, Robert, unserem argentinischen Taxifahrer zu sagen, dass wir, ohne ihn kränken zu wollen, in der Beurteilung
der Cataratas de Iguazú bzw. Cataratas do Iguaçú (wie sie im Brasilianischen heißen) definitiv anderer Meinung sind als er. Wir stellen uns das Gesehene mitunter vor blauem Himmel vor und nehmen
fantastische Eindrücke mit nach Hause.
An dem kleinen Flughafen stellen wir fest, dass es keine Check-in-Maschinen gibt, und so kommt es wie von uns befürchtet, als wir
am Schalter unsere Pässe vorzeigen müssen: Die LAN-Dame erkennt uns als Ausländer und belehrt uns über das argentinische Gesetz, dass für uns als Ausländer andere Flugtarife gelten würden. Da wir
jedoch über das Internet gebucht hätten und bereits bis nach Iguazú gekommen seien, ohne darauf hingewiesen worden zu sein, wolle sie darüber ein Auge zudrücken und uns ohne eine normalerweise
nötige Nachzahlung zurückbefördern. Mit der uns innewohnenden Gelassenheit nehmen wir ihre „Großzügigkeit“ dankbar entgegen, wissen wir doch noch allzu gut aus Barranquilla in Kolumbien, dass
eine emotionale Meinungsäußerung in einem solchen Fall nicht wirklich dienlich ist.
In Iguazú hatten wir eine E-Mail von unseren argentinischen Bekannten aus Caleta Oliva bekommen. Ariels in Buenos Aires lebende
Schwester hatte bei ihrem Besuch in Puerto Madero das Mobil nicht finden können, obwohl sie genau wusste, wo wir stehen. So hoffen inständig darauf, dass sie eventuell am vergangenen Sonntag vor
unserem Ausflug nach Iguazú in der Zeit nach uns gesucht hat, als wir gerade mit dem Auto unterwegs waren. Es wäre wirklich blöd, wenn unser mobiles Zuhause während unserer Abwesenheit auf dem
bewachten Parkplatz aufgebrochen und verschleppt worden wäre.
Doch alles ist in bester Ordnung - das Tesomobil hat uns wieder, wir sind froh, die Wasserfälle doch noch gesehen zu haben, und
begreifen langsam, dass wir in nur einer Woche die Heimreise nach Deutschland antreten werden. Dabei gibt es noch so viele schöne Dinge hier zu tun…
Viele liebe Grüße aus Baires
Lella & Tommi
Entsprechende Bildergalerie auf der ehemaligen web page ansehen:
www.tesomobil.de/index.php
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